Chronik unseres Erbhofes in Radstadt
Die Geschichte des Kasparbauern
Von Geschlecht zu Geschlecht. Die Mayrhöfe in der Taurach. Hab’ allzeit Ehrfurcht vor alten Bauerngeschlechtern und Bauernhöfen. Bauer und Hof sind eins. Der Mieter wird es nie mit seiner Wohnung; gehört sie doch einem andern. Wie viel ungeschriebene Geschichte birgt so ein Hof, auf dem ein und dasselbe Geschlecht erb gesessen ist. Was könnte er erzählen! Erzählen von frohen Hochzeitstagen und traurigen Sterbezeiten, erzählen von Liebe und von Leid, von Kriegen und von betrübten, elenden Zeiten! In Tirol nennt man solcherlei Erbhöfe “Ehrenhöfe” und sie sind es auch. Nicht allzugroß ist ihre Zahl, der Wirbelsturm der neuen Zeit entwurzelt viele altehrwürdige Bäume.
Von Geschlecht zu Geschlecht! Auch von den Mayrhöfen gilt dies, die eine halbe Stunde von Radstadt taleinwärts am rechten Ufer der Taurach liegen und die der Volksmund mit dem Namen “Kasperndörfl” zusammenfasst. Ursprünglich ein Besitz, später in vier Lehen gespalten, sind sie heute wieder in einer Hand vereinigt. Der Kasparbauer auf dem Obermayrhof führt das kluge und umsichtige Regiment auch über den Mittermayr- oder Hödenhof, den Niedermayrhof oder das Schobergut und das Diktenanwesen. Ein kleiner König! Der Familienname des Kasparbauerns, Mayrhofer, deutet noch auf die vielhundertjährige Geschichte seines Geschlechtes.
Lasst euch kurz die Geschichte erzählen! Es soll niemandem ob der vielen Zahlen schwarz vor den Augen werden. Ursprünglich gehörte das Gut zu dem Besitze der Teising, eines alten Bürgergeschlechtes in Salzburg. Nach dem Aussterben der Teising fiel es an den Landesfürsten zurück und unterstand von 1415/1848 der landesfürstlichen Grundherrschaft, der jährlich 12 Pfund Pfennige an Giebigkeit zu entrichten waren.
Im ältesten Urbarbuch scheint ein gewisser Rupert mit seinem Sohne Petrus als Besitzer auf. Nach ihm seine Tochter Elisabeth, die mit einem Jakob verehelicht war. Diesen folgte ihr Sohn Leonhard Mayrhofer, der um 1500 noch lebte. Um 1600 erscheint ein Ruprecht Mayrhofer, der den Besitz 1610 dem Sohne Kaspar übergab. Die Übergabe der Tauernkaralm erfolgte 1618 durch die von ihm bevollmächtigten Vertreter Georg Mayrhofer, Bürger und Gastgeber in Radstadt, und den Nachbar Ulrich Schober auf der Taurach. Georg Mayrhofer war ein Bruder oder Vetter des Übergebenden und hatte das Sternwirtshaus in Radstadt inne, das bis heute noch im Volke unter dem Namen “Mayrhofwirt” bekannt ist.
Kaspar Mayrhofer, von dem der Gutsname “Kasparbauer” stammt, war sicher einer der bedeutendsten und beliebtesten Inhaber des Gutes. Seine Schwester Anna verehelichte sich mit Thomas Piber vom Piberhof, eine andere war Ehewirtin des Michael Falnhauser am “Guth Voglpüchl in Vorstau”. Von diesem kauften obgenannte Schwäger die Alpsgerechtsame Niederhütten, genannt das “Alpl” um 1700 Gulden Kaufsumme und 24 Gulden Leutkauf, jeden pro 15 Batzen oder 60 Kreuzer guter salzburgischer Landeswährung verrechnet. Kaspar Mayrhofer starb um 1645 und hinterließ viele Kinder und Kindeskinder. Was mochte der wackere Bauer in den bangen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges, dessen Schrecken allerdings durch die Tatkraft und Umsicht des Landesfürsten, des Erzbischofs Paris Lodron, vom Salzburgerlande abgewehrt wurde, erlebt haben? Den Friedensschluss, der die Erlösung brachte, hatte er nicht mehr erlebt. Ihm war sein Sohn Michael gefolgt, der 1637 um 1450 Gulden das väterlicht Gut übernommen hatte.
Bedeutende Besitznachfolger sind Sebastian Mayrhofer (1687) und Georg Mayrhofer (1707). Wie anderwärts im Salzburger Hochstifte rumorte und gärte es auch im Taurachtale. Protestantische Prediger und Werbeapostel der Lutherischen Lehre durchzogen die Gebirgsgaue und machten viele Bauern und Knechte der katholischen Kirche abtrünnig, bis endlich Erzbischof Leopold Firmian durch das Auswanderungsedikt vom 31. Oktober 1731 den Glaubensunruhen ein Ende machte. Über 22.000 Bewohner des Landes verließen die Heimat. Auch Mayrhoferische Verwandte waren darunter; so: Rupert Mayrhofer, Bauer zu Hausstätt, 28 Jahre alt (sein Eheweib Regina Brandstätterin blieb noch zurück) und Wolf Mayrhofer, Austragsmann, 72 Jahre alt, und sein Weib, Rosina Pergerin, 55 Jahre alt, und deren Sohn Michael, 24 Jahre alt. Am Kaspargute war man dem Glauben der Väter treugeblieben.
Der berühmteste Besitzer des Kaspargutes war ohne Zweifel Georg Mayrhofer, der von 1770 bis 1808 auf dem Hofe als Bauer waltete und es zu bedeutendem Wohlstand brachte. Georg ist der Erbauer der schönen, geräumigen Kapelle mit dem prächtigen Mariahilf-Altar. Unter ihm wurde, wie alte Inschriften bezeugen, das Haus umgebaut, eine Dreschtenne mit Wasserbetrieb an der Taurach errichtet, ein herrlicher Baumgarten angelegt, der bis heute besteht, und die Alm in Vordergnaden durch Bewässerungsgräben verbessert, die man noch heute erkennt.
In schwerer Zeit – die Franzosen bedrückten eben die Lande – übernahm sein Sohn Matthias das väterliche Erbe und hatte es von 1808 bis 1859, also volle fünfzig Jahre, inne. 1810 verehelichte er sich mit Katharina Stegerin, 1852 mit Katharina Thurner, Schaidltochter von Flachau. 1859 kam der Besitz an den Sohn Matthias, der sich mit Elisabeth Kirchgasser verheiratete und bis 1894 die Wirtschaft führte. 1896 starb er im Alter von 90 Jahren.
1894 ging der Besitz auf den jetzigen Kasparbauer, Johann Mayrhofer, über, der sich die Felstochter Rosina Lackner zur Frau nahm, die ihm, als sie starb, vier Kinder hinterließ. Als zweite Frau stand ihm Anna, geb. Huber, über 25 Jahre treu zur Seite, ein Edelweib in des Wortes bestem Sinne. 1925 trug man, zum größten Leidwesen der Familie, auch sie zu Grabe. Zwei von ihren zwölf Kindern waren ihr im Tode vorangegangen, ihr Sohn Josef war im Krieg gefallen.
Johann Mayrhofer, der Besitzer von heute, schaut mit dem Stolze, der zugleich Verantwortlichkeitsgefühl ist, auf eine lange Ahnenreihe zurück. Würdig derer, die vor ihm auf dem Hofe geschaltet und gewaltet haben, wahrt er in schwerster Zeit das Erbe der Väter, die heimatliche Scholle und die Traditionen des Hofes, frommen Väterglauben und Vätersitte.
Schon 1883 war auch das Schoberlehen, das ursprünglich dem Schlosse Schermberg grundherrlich unterstand, in den Mayrhoferischen Besitz übergegangen. Die Grundholden kann man auch hier über 340 Jahre zurückverfolgen. 1604 scheint Ulrich Schober auf, der Stammvater mehrerer Generationen, die anfangs 1800 auf dem Gute ausstarben. 1851 wurde der Kasparbauernsohn Rupert Mayrhofer in den Besitz des Gutes gesetzt, der es aber 1865 an seinen Bruder Matthias verkaufte, um in Hüttau das Forstergut zu erstehen. Etliche Jahre nachher wanderte er mit seinem Weibe Veronika Stiglitz, einer Zillertalerin, und fünf Kindern nach Amerika aus. Man hörte von einem Schiffsunglück auf offener See, von den Auswanderern aber nichts mehr. Sie deckte wohl die Welle.
Das Hödlehen, auch Mittermayrhof genannt, zwischen Schober und Kasparbauer liegend, war einst dienstpflichtig an den Sankt Hieronymus- und Elisabethaltar im Dom zu Salzburg. Der älteste bekannte Besitzer hieß Jakob Höd (1604), dessen Nachkommen bis 1829 hier hausten. Nach mehrmaligem Besitzwechsel kam es 1895 in den Besitz Johann Mayrhofers und ward dem Kasparbauerngute einverleibt.
Auch das vierte Anwesen, das Diktengut, hat seine altehrwürdige Geschichte. Der Name stammt von Benedikt Mayrhofer, der von 1694 bis 1750 darauf hauste. Es war dienstpflichtig der Sankt Virgilskirche in Radstadt und hatte an diese 13 Pfennige, später 1 Schilling 18 Pfennige nebst Stiftwein und 18 Schreibpfennige zu leisten.
“An Stat Benedikt Mayrhoffers kumbt an das Urbar durch einen Kauf sein Sun Jörg allein, welche er von seinen Geschwistereth mit Namen Michael, Margareth, Elspet, Magdalena und Anna erkaufft hat.” Dieser Georg Mayrhofer scheint ein überaus angesehener, tüchtiger Mann gewesen zu sein. Ihm wurde von hochf. Pfleger von Radstadt 1653 das “Reißgejaidt” oder “Palgstück” im Forst Fager und Labenegg zu beiden Seiten des Radstädter Tauern bis den Markstein zunächst bei der Kirche übertragen; der jährliche Dienst hiefür war 1 Marder, 6 Eichhorn, 1 Haslhuhn und 1 Fuchsbalg. Ein Jagdkonflikt mit Jakob Wiesenegger, Gastgeber am Tauern, der “in dieses Palgstück bei seinen Fürhaupten Eingriff tue und das Wildpret auffange”, endete mit einem Vergleich. Auf dem Diktengute blieb der Name Mayrhofer bis 1811, dann kamen die Stainpacher über 100 Jahre lang. Von der letzten Besitzerin erbte das Gut eine Nichte, Anna Lürzer, Breitlehentochter von Untertauern, die den Alois Bergmüller, Stockersohn von Hüttau, heiratete. Nach dem frühen Tode der Frau übergab, durch Krankheit genötigt, Bergmüller das Gut dem Kasparbauer Johann Mayrhofer in Pacht, so dass also nun, wie einst in ältesten Tagen, die vier Mayrhöfe in einer Hand vereinigt sind.
500 Jahre altsalzburgischer Fürstengeschichte hat das Bauerngeschlecht der Mayrhofer miterlebt und auch die großen Weltgeschehnisse haben ihre letzten verebbenden Wogen in das Taurachtal geworfen. Vieltausend Wanderer sind auf der Tauernstraße an den Höfen vorbeigezogen, haben zu ihnen emporgeschaut und sind wieder ihres Wege gegangen. Die Zeiten haben sich gewandelt und die Menschen; geblieben aber ist auf den Mayrhöfen der alte Geist.
Ehre dem Bauerngeschlechte! Möge es, eng verbunden mit der ererbten Scholle, weiterhin Jahrhunderte überdauern!